In den zweieinhalb Wochen während des Schüleraustauschs in den USA, in denen wir mit unseren Gastfamilien zusammen gelebt haben, verschiedene Ausflügen unternommen und die dortige Schule besucht haben, konnten wir vielseitige Eindrücke sammeln, die uns dabei halfen, ein Bild von den USA und deren Bewohner zu schaffen.
Den größten Unterschied stellt hierbei die Schule dar. Der Fokus und der Stellenwert für die Schüler liegen nämlich ganz woanders als in Deutschland. Gelernt wird generell nicht so viel und intensiv. Dieses merkt man oft in den einzelnen Fächern, sie sind vom Unterrichtsstoff her viel einfacher als in Deutschland. Die Themen, die in der Schule von den Zehntklässlern bearbeitet wurden, haben wir bereits zwei Jahre zuvor durchgenommen. Im Unterricht tragen die meisten Schüler Kopfhörer und sind am Handy, was bei uns undenkbar wäre. Des Weiteren können alle Schüler jeden Test, in dem sie nicht so gut waren, noch einmal in einer nur leicht veränderten Form, nochmal schreiben und so eine bessere Note erlangen. Es macht am Ende keinen Unterschied, ob man beim ersten oder beim zweiten Mal diese Note bekommen hat. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum die meisten Schüler zuhause nicht so viel Zeit ins Lernen investieren. Schulbeginn ist um 7.30 Uhr. Uns allen sind sofort einige Unterschiede bezüglich der Klassenräume aufgefallen. Sie sind erstens dunkler und haben alle eine Klimaanlage. Zum Anderen sind in allen Räumen digitale Geräte, wie z.B. Whiteboards und keine normalen Tafeln wie bei uns. Hier wird das Lehrerraum-Prinzip angewendet, die Schüler müssen zu den Lehrern kommen. Die Türen der Klassenräume stehen meist offen und man konnte hineinschauen. Die Fountain Hills Highschool verfügt ebenso über ein gutes schuleigenes WLAN, auf das sowohl Lehrer als auch Schüler zugreifen können.
Im Unterricht gibt es fast nur Stillarbeit an Laptops oder Tablets. Ein richtiges Unterrichtsgespräch wie wir es kennen, haben wir nur einmal erlebt. Außerdem interessiert es niemanden, wenn die Schüler am Handy sind. Die meisten hören ständig Musik, sogar im Sportunterricht, der nur daraus besteht, dass die Schüler eine Kiste mit verschiedenen Bällen bekommen und dann machen können, was sie wollen. Sie müssen zudem keine Sportkleidung tragen und haben teilweise nur Flipflops an. Ein Schüler spielte sogar mit einem Gehgips mit. In Deutschland undenkbar. Wir haben häufig Volleyball gespielt, weil meist ein Netz aufgebaut war. Die Schüler können aber auch am Rand sitzen und am Handy spielen, ohne dass der Lehrer etwas sagt. Dafür waren diejenigen, die gespielt haben, sehr motiviert und haben ständig gejubelt. So hat es viel mehr Spaß gemacht als in Deutschland, wo von vielen Schülern Sportunterricht oft als Zwang empfunden wird. Das Spielen war jedoch teilweise sehr chaotisch.
Es gibt zudem „Jahrbuch“, die „Marching Band“ und „Tanzen“ als normale Unterrichtsfächer. Zum Tanzen gibt es einen eigenen Raum, der aussieht wie ein Ballettraum. Hier sind auch ein paar behinderte Kinder dabei, die körperlich gar nicht in der Lage wären, mitzutanzen, aber trotzdem ihren Spaß haben. Für sie gibt es auch einen Raum, in dem sie Extraunterricht bekommen. In manchen Fächern werden sie auch in den normalen Unterricht mit integriert. Die Marching Band probt jeden Morgen, und obwohl die Stücke scheinbar recht einfach sein sollen, machen die ständigen, synchronen Bewegungen das Ganze nochmal schwieriger.
Insgesamt herrscht in der Schule eine vollkommen andere Mentalität als bei uns. Entweder man will etwas und hängt sich richtig rein, oder man hat halt keinen Bock und macht auch nichts. Den Lehrern ist das anscheinend egal.
Trotzdem bedeutet die Schule für Amerikaner sehr viel. Denn obwohl wir in Deutschland länger in der Schule sind, dreht sich das Leben von US-amerikanischen Schülern mehr um die Schule, jedoch mit einem anderen Fokus. Beispielsweise hat der Sport an der Schule einen sehr viel höheren Stellenwert als der in Deutschland. Jede Schule hat eine eigene Footballmannschaft, ein eigenes Volleyballteam, Basketballteam, Tennisteam usw. und auch eine eigene Marching Band. Fast jeder Schüler ist in mindestens einem Team vertreten, die meisten sogar in mehreren. Somit findet eine stärkere Identifizierung mit der Schule statt. Es wird jeden Tag trainiert und einmal in der Woche finden Wettkämpfe gegen andere Schulen statt. Dementsprechend gibt es auch von jeder Schule Fanartikel zu kaufen: Egal ob T-Shirts, Kappen, Beutel oder auch Türkränze, Billardtische und Wrestlingmatten; alle Artikel gibt es nicht nur im Schulkiosk, sondern auch in normalen Geschäften in der Umgebung zu kaufen. Bei den Spielen sind nicht nur die Mannschaft und deren Familien anwesend, sondern auch ein Großteil der Schülerschaft und die Fans. Es herrscht immer viel Stimmung, die durch die Cheerleader und der Marching Band hervorgerufen wird. Zusätzlich zum Sport bietet die Schule auch Tanzabende wie den Homecoming und den Prom an. Ich hatte die Möglichkeit, beim Homecoming-Tanz dabei zu sein und mir dieses Ereignis aus der Nähe anzusehen. Vor allem für die Mädchen ist dieser Tag einer der wichtigsten im Jahr und viele sind extra dafür zum Friseur und zur Maniküre gegangen. Es wird sich vorher getroffen, geschminkt, angezogen und ganz wichtig: Fotos gemacht. Jeder mit jedem vor verschiedenen Hintergründen, in verschiedenen Stellungen. Die Veranstaltung in der Schule dauert im Vergleich zu dem Aufwand zuvor nicht so lange, sondern nur zwei bis drei Stunden. Danach ist dann schon alles vorbei. An diesen Beispielen mit dem Sport oder auch den Tänzen möchte ich darstellen, wie eng die Schüler mit der Schule verbunden sind. Ihre Freunde, ihre Hobbies und ihre Freizeit finden alle in der Schule statt.
Eine weitere Sache, die wir nicht kannten, war der PledgeofAllegiance, welcher jeden Tag in der Schule durch die Lautsprecher vorgetragen wurde. Dann wurde in der Regel aufgestanden und die Hand aufs Herz gelegt, bis dieser zu Ende war.
Der zweite große Unterschied, der uns aufgefallen ist, ist die Familie. Alle Gastfamilien sind so offen und herzlich gewesen, was man auf die meisten Amerikaner übertragen kann. Überall wurde man sofort aufgenommen, es wurde mit einem geredet und alle waren sehr interessiert, wenn sie gehört haben, dass wir aus Deutschland kommen. Wir alle haben uns noch nie in einer Gastfamilie so willkommen gefühlt wie in den USA. Manche Gastmutter waren so super nett, dass sie direkt Kosenamen wie „honey“ oder „sweetheart“ gegeben haben, was ganz neu vereinzelt war. In Deutschland würde nie jemand auf die Idee kommen, einen Austauschschüler mit „Liebling“ anzusprechen, aber die Amerikaner finden es normal. Auch sonst gibt es noch weitere Unterschiede zum Leben in Amerika gegenüber dem in Deutschland. Beispielsweise die Essgewohnheiten sind sehr verschieden. Während es in Deutschland üblich ist, dreimal am Tag zu essen, morgens Frühstück, mittags ein selbstgekochtes Gericht und abends meistens nur noch bisschen Brot, isst man in Amerika, wenn man Hunger hat. Dass man zusammen mit der ganzen Familie am Tisch sitzt, kam nur sehr selten vor. Oft wurde in einem Fast Food Restaurant gegessen. Nach unserer Erfahrung kennen Amerikaner dort keine gemeinsamen Mahlzeiten; Mittagessen gab es in der Schule, die bis 14.20 ging, und auch wenn man zusammen zu Abend hätte essen können, wird nicht gemeinsam am Tisch gesessen. Normales Brot wie in Deutschland gibt es nicht, nur etwas toast-ähnliches Brot und in den meisten Restaurants gibt es nur Fast Food. Ein morgendliches Starbucksgetränk vor der Schule ist dort Normalität.
Zusammenfassend kann man sagen, dass wir sehr froh sind, so eine Chance bekommen zu haben, zweieinhalb Wochen in Amerika zu wohnen und das Leben dort kennenzulernen und ein eigenes Bild über das Land, die Einstellung und die Leute machen zu können. Die Amerikaner sind sehr herzlich und nehmen alles viel lockerer, die Schule, neue Menschen, und das ist sehr bewundernswert. Insgesamt überrascht positiv die Offenheit und Aufgeschlossenheit der Menschen, die dort leben. Kommt man zum Beispiel in ein Restaurant oder ein Geschäft, wird man direkt gefragt, wie es einem heute geht und somit wird sofort ein Gespräch angefangen. Die Amerikaner haben kein Problem damit einen einfach anzusprechen, auch wenn man ihnen ganz unbekannt ist.
Es war eine wunderschöne Zeit, die wir vermutlich nie mehr vergessen werden. Trotz den doch erheblichen Unterschieden zu Deutschland kann man nicht sagen welches Land besser gefällt. Jedes der beiden sowohl die USA als auch Deutschland haben ihre guten beziehungsweise schlechten Seiten, die jeder für sich selbst herausfinden muss. Uns gefallen beide Länder sehr gut und wir werden auf jeden Fall ein zweites Mal dorthin reisen. Dadurch dass wir uns mit unseren Gastfamilien so gut verstanden haben, sind wir bei Ihnen auch zu jederzeit herzlich Willkommen. Das ist ein tolles Gefühl, eine Freundschaft in den USA geschlossen zu haben. In der Gruppe haben wir uns alle sehr gut verstanden und sind während unseres Aufenthalts immer stärker zusammengewachsen.
Abschließend kann man sagen, dass sich unsere Aussprache und unser Hörverstehen sehr verbessert haben.
Diese Zeit war wirklich eine aufregende und erfüllende Erfahrung, die unser bisheriges Leben prägen wird. Die Menschen sind zu einer zweiten Familie geworden. Sie haben die Zeit für uns wirklich unvergesslich gemacht und lassen uns jetzt schon wissen: Wir werden wiederkommen!
Dementsprechend ist uns der Abschied am letzten Abend sehr schwergefallen, wir freuen uns schon jetzt auf deren Gegenbesuch in Deutschland im nächsten Jahr.